Erbrecht - grundbuchrechtliches Berichtigungsverfahren bei sogenannter „Dieterle-Klausel“ in öffentlichem Testament
Sachverhalt
Der Beteiligte zu 1.) strebt die Berichtigung des Grundbuchs nach dem Tod seiner Mutter (im Folgenden: Erblasserin) an. Diese ist in Abteilung I als Eigentümerin eingetragen. Die Erblasserin bestimmte am 07.09.2016 die Beteiligten zu 1.) bis 3.) zu ihren Erben. Die Beteiligte zu 2.) ist die Tochter der Erblasserin, der Beteiligte zu 3) der Sohn der Beteiligten zu 2.). Zu dem Beteiligten zu 3.) traf die Erblasserin soweit vorliegend von Bedeutung folgende Regelung:
„Soweit mein Enkel (der Beteiligte zu 3.) Erbe wird, ist er nur von den gesetzlichen Beschränkungen befreiter Vorerbe. Nacherbe auf seinen Todt sind seine gewillkürten eigenen Erben, ersatzweise meine Tochter (die Beteiligte zu 2.). Als Nacherbe ausgenommen ist der Vater meines Enkels, dessen Abkömmlinge aus anderen Verbindungen und seine Verwandten aufsteigender Linie. Die Nacherbenanwartschaften sind jeweils zwischen Erbfall und Nacherbfall nicht vererblich und nicht übertragbar. Verstirbt der Vater meines Enkels vor Eintritt des Nacherbfalls ohne Hinterlassung von Abkömmlingen und Verwandten aufsteigender Linie, so entfällt die Nacherbfolge. Verstirbt er ohne Hinterlassung von weiteren Abkömmlingen, jedoch unter Hinterlassung sonstiger Verwandten, so kann der Vorerbe die Nacherbfolge beseitigen, indem er eine eigene letztwillige Verfügung errichtet, in der er Erben einsetzt, die nicht zu dem ausgeschlossenen Personenkreis gehören.
Die Erblasserin verstarb am 21.01.2021. Sie hinterließ neben den Beteiligten zu 1.) und 2.) noch eine weitere Tochter. Das Amtsgericht Berlin Mitte eröffnete die vorgenannte letztwillige Verfügung am 07.05.2021.
Unter dem 07.11.2021 hat der Beteiligte zu 1.) unter Beifügung des Eröffnungsprotokolls vom 07.05.2021 sowie unter anderem einer mit einem Eröffnungsvermerk des Amtsgericht Mitte versehenen Ablichtung die Berichtigung des Grundbuchs durch seine und der Eintragung der Beteiligten zu 2.) und 3.) anstelle der Erblasserin beantragt. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 26.11.2021 die Vorlage eines Erbscheins gefordert. Das Testament verstoße hinsichtlich der Regelung zur Nacherbfolge gegen § 2065 Abs. 2 BGB. Zudem werde der Beteiligte zu 3.) in der Freiheit seiner Erbenbestimmung beschränkt, was gegen § 138 BGB verstoße. Nach hiergegen erhobenen Einwendungen der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1.) hat das Grundbuchamt am 29.03.2022 einem Ergebnis inhaltsgleiche Zwischenverfügung erlassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 12.05.2022, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.
KG Berlin: Beschwerde erfolgreich (KG Berlin, Beschluss vom 26.08.2022 – 1 B 262/22)
Die von dem Grundbuchamt aufgezeigten Eintragungshindernisse bestehen nach Ansicht des KG Berlin nicht. Die Berichtigung einer unrichtigen Grundbucheintragung erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1 GBO, wenn die Unrichtigkeit durch öffentliche Urkunden, § 29 GBO, nachgewiesen wird, § 22 Abs. 1 GBO. Bei Unrichtigkeit des Grundbuchs wegen des Todes eines Berechtigten ist der Nachweis der Erbfolge grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen, § 35 Abs. 1 S. 1 GBO. Beruht die Erbfolge aber auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, genügt es in der Regel, wenn anstelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden, § 35 Abs. 1 S. 2 HS 1 GBO.
Der Erblasser kann ein Testament nur persönlich errichten, § 2064 BGB. Dabei muss er sich über sämtliche wesentlichen Teile seiner letztwilligen Verfügung allein schlüssig werden. Es ist ihm nicht gestattet, seinen letzten Willen in der Weise unvollständig zu äußern, dass es einem Dritten überlassen bleibt, ihn nach seinem Belieben oder Ermessen in wesentlichen Teilen zu ergänzen. Hingegen ist der Erblasser nicht gehindert, seinen letzten Willen auch hinsichtlich der Person des Bedachten und des Gegenstandes der Zuwendung bedingt zu äußern. Er kann insbesondere eine Erbeinsetzung unter einer Bedingung vornehmen, wobei die Bedingung auch in einem Tun oder Unterlassen des Bedachten oder eines Dritten bestehen kann. Er muss jedoch die Person des Bedachten und den Gegenstand der Zuwendung so bestimmt angeben, dass die Bestimmung des Erben durch einen Dritten für jede sachkundige Person objektiv möglich ist, ohne dass ihr eigenes Ermessen dabei bestimmend ist. Danach sollen Regelungen zulässig sein, zu Nacherben im Wege einer Bedingung diejenige Person zu bestimmen, die der Vorerbe zu seinen Erben einsetzt.
Die Abgrenzung zwischen unmittelbarer und lediglich mittelbarer Bestimmung der Nacherben eines Erblassers durch Dritte ist aber durchaus von entscheidender Bedeutung für die Frage der Anwendung des § 2065 Abs. 2 BGB und hierfür auch ein geeignetes Kriterium. Unabhängig davon, ob der Dritte (hier der Vorerbe) die letztwillige Verfügung des Erblassers kennt, wird es ihm bei der Errichtung einer eigenen letztwilligen Verfügung in erster Linie auf die Regelung des eigenen Nachlasses und die Bestimmung der eigenen Erben ankommen. Diesen Personen auch ein im Rahmen der Vorerbschaft erworbene Nachlass zukommen zu lassen, wird für den Vorerben hingegen von untergeordnetem Interesse sein.
Bei dem Erblasser ist dies anders. Ihm komme es darauf an, insoweit ein Gleichlauf zwischen den Erben seines Vorerben an den eigenen Nacherben zu erlangen. Damit bestimmt aber nicht der Dritte (Vorerbe) über die Person der Nacherben des Erblassers. Diese Entscheidung trifft der Erblasser selbst. Da er die Person des Bedachten in seiner letztwilligen Verfügung nicht individuell benennen, ist nicht erforderlich, wenn sie sich aus Umständen außerhalb der Urkunde bestimmen lassen. Dies ist vorliegend möglich.
Der Beteiligte zu 3.) wird auch nicht daran gehindert, seine Erben frei zu bestimmen. Er kann ohne weiteres auch seinen Vater bzw. andere väterliche Verwandte benennen. Zwar führt das dann zum Ausschluss dieser Erben als Nacherben der Erblasserin. Die Erblasserin hat damit eine negative Bestimmung der Nacherben bezogen auf ihren Nachlass getroffen. Das ist aber so wenig zu beanstanden, wie die konkrete Benennung der Beteiligten zu 2.) als Ersatznacherbin für diesen Fall.
„Dieterle-Klausel“
Die sog. „Dieterle-Klausel“ ist eine im Hinblick auf § 2065 Abs. 2 BGB mindestens grenzwertige Gestaltungsklausel, die vornehmlich für sog. „Geschiedenen-Testamente“ konzipiert ist und mit welchem der geschiedene Erblasser sicherstellen will, dass sein geschiedener Ehegatte nicht indirekt über ein nachversterbendes Kind in den Genuss seines Vermögens kommt.
Bei der „Dieterle-Klausel“ setzt der Erblasser diejenigen Personen zu Nacherben ein, die der Vorerbe zu seinen (des Vorerben) Erben beruft, ersatzweise die gesetzlichen Erben des Vorerben.
Bei Fragen zur Erstellung von letztwilligen Verfügungen, insbesondere bei einer beabsichtigten Vor- und Nacherbregelung oder bei der Auslegung von Testamenten stehen Ihnen unsere auf das Erbrecht spezialisierten Anwälte kompetent zur Verfügung.
Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht