Erbrecht – Folgen des Widerrufs eines Widerrufstestaments – keine analoge Anwendung von § 2077 BGB auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft

Hintergrund

Der Erblasser errichtete im Jahr 1989 ein Testament, in dem er die Antragstellerin, mit der er zusammen wohnte, zu seiner Erbin berief. Der Erblasser und die Antragstellerin heirateten im Jahr 1990. Sie waren hälftige Miteigentümer von zwei Eigentumswohnungen. Sie schlossen im Jahr 2005 notariell beurkundet eine Nutzungsvereinbarung zu den Wohnungen und einen Erbvertrag, in dem sie zunächst alle ihre früheren Verfügungen von Todeswegen widerriefen und wechselseitig Vermächtnisse an ihren hälftigen Miteigentumsanteilen an der vom jeweils anderen Ehegatten genutzten Eigentumswohnung und der jeweiligen Anteile an gemeinsamen Lebensversicherungen vertraglich bindend bestimmten.

Die Ehe scheiterte. Die Parteien schlossen eine Scheidungsfolgenvereinbarung, die unter anderem einen wechselseitigen Verzicht auf den Versorgungsausgleich und eine Übertragung des jeweiligen Miteigentumsanteils an der nicht selbst genutzten Eigentumswohnung an den diese bewohnenden Ehegatten sowie die Aufhebung der Nutzungsvereinbarung aus dem Jahr 2005 vorsah.

Im Erbvertrag nahmen die Eheleute auf ihre Trennung Bezug und erklärten den Vertrag und die darin enthaltene Aufhebung des früheren Erbvertrages aus dem Jahr 2005 unabhängig von der Durchführung eines Scheidungsverfahrens abschließen zu wollen. Er solle „insbesondere auch im Falle einer Scheidung unserer Ehe bestehen bleiben“.

Danach erklärten sie, dass sie alle ihre bisher gemeinsam errichteten Verfügungen von Todeswegen widerrufen, insbesondere den Erbvertrag aus dem Jahr 2005, jedoch ihre bisher einzeln errichteten Verfügungen von Todeswegen ausdrücklich ihre Wirksamkeit behalten sollen.

Ende Juni 2009 stellte die Antragstellerin dann den Scheidungsantrag. Die Ehe wurde im August 2009 geschieden.

Der Erblasser heiratete erneut im Jahr 2017. Die Ehe mit seiner zweiten Frau wurde 2019 geschieden.

Nach dem Tod des Erblassers haben beide Beteiligte einen Erbscheinsantrag gestellt. Die Antragstellerin als Alleinerbin gemäß Verfügung von Todeswegen, die Beschwerdeführerin (Schwester des Erblassers) als gesetzliche Miterbin neben der Mutter des Erblassers.

Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Antrag zugleich einen eventuell im Erbvertrag von 2009 liegenden Widerruf des Widerrufs aus dem Erbvertrag von 2005 angefochten.

OLG Schleswig-Holstein – keine analoge Anwendung von § 2077 BGB auf Paten einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft

Das OLG Schleswig-Holstein entschied, dass die Antragstellerin als Erbin zu qualifizieren ist. Sie ist durch das Testament aus dem Jahr 1989 als alleinige Erbin des Erblassers eingesetzt worden. Daran hat der ausdrückliche Widerruf des Testaments durch den Erbvertrag 2005 letztlich nichts geändert. Der Widerruf war allerdings zunächst möglich und wirksam gemäß §§ 2299, 2253 ff. BGB.

Denn nach § 2299 BGB kann in einem Erbvertrag einseitig jede Verfügung getroffen werden, die auch durch Testament getroffen werden kann, wie ein Testamentswiderruf. Der Widerruf des früheren Testaments war nicht erbvertraglich vereinbart. Damit war die Erbeinsetzung erst einmal entfallen.

Den Erbvertrag aus dem Jahr 2005 haben die Eheleute durch den späteren aus dem Jahr 2009 wiederum aufgehoben. Das war gemäß § 2290 BGB möglich. Nach dieser Bestimmung kann ein Erbvertrag sowie eine einzelne vertragsmäßige Verfügung von den Personen aufgehoben werden, die den Erbvertrag geschlossen haben. Dadurch erlangte das Testament von 1989 rückwirkend wieder Geltung.

Hieran ändert die wenig später erfolgte Scheidung nichts. § 2077 Abs. 1 BGB ist auf den hier gegebenen Fall nicht anzuwenden. Bei Testamentserrichtung waren Erblasser und Antragstellerin noch nicht verheiratet. Auch von einem gemäß § 2077 Abs. 2 BGB gleichzustellenden Verlöbnis beider ist nichts bekannt.

§ 2077 BGB ist auf die testamentarische Erbeinsetzung nicht anzuwenden. Die Bestimmung beruht auf der Annahme, dass ein Erblasser regelmäßig seinen Ehegatten nur aufgrund der durch die Eheschließung bewirkten familienrechtlichen Bindung bedenken will. An einer solchen Motivation fehlt es aber, wenn die Partner weder verheiratet sind, noch sich ein Eheversprechen gegeben haben. Auf nicht eheliche Lebensgemeinschaften ist § 2077 BGB daher nicht anzuwenden.

OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30.01.2023 – 3 Wx 37/23

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