Erbrecht - Werden mehreren Personen zur Einzelvertretung berechtigende Vorsorgevollmachten erteilt, ermächtigen diese regelmäßig nicht zum Widerruf der Vorsorgevollmachten der weiteren Einzelvertretungsberechtigten

Hintergrund

Der Kläger hatte dem Beklagten, der sein Stiefsohn ist, sowie drei leiblichen Kindern, darunter R., am 22.11.2016 jeweils eine zur Einzelvertretung berechtigende, notarielle Vorsorge- und Generalvollmacht erteilt. Mit Schreiben vom 20.03.2018 widerrief er durch Rechtsanwaltsschreiben die dem Beklagten erteilte Vorsorgevollmacht und forderte die Herausgabe der diesbezüglichen Vollmachtsurkunde. Mit eigenhändig unterzeichneten Schreiben vom 20.11.2020 widerrief der Kläger gegenüber dem Beklagten die Vollmacht erneut und verlangte wiederum die Herausgabe der Vollmachtsurkunde. Der Aufforderung, die Vollmachtsurkunde herauszugeben, kam der Beklagte jeweils nicht nach. Mit Klageschrift vom 21.01.2021, die dem Beklagten am 24.02.2021 zugestellt wurde, begehrte der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe der Vollmachtsurkunde. Am 17.03.2021 gab der Beklagte die Vollmachtsurkunde an den Kläger heraus, woraufhin beide Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärten.

LG Heidelberg – Beklagter hat Kosten des Rechtsstreits zu tragen

Mit Beschluss vom 22.06.2021 sprach das Landgericht Heidelberg die Verpflichtung des Beklagten zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits aus. Die dem Beklagten erteilte, notarielle Vollmacht sei durch den Kläger mit Schreiben vom 20.11.2020 wirksam widerrufen worden, weshalb ein Anspruch auf Herausgabe der Vollmachtsurkunde gemäß § 175 BGB bestanden habe. Der Einwand des Beklagten, er habe keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben, greife nicht durch.

 

Beklagter legt sofortige Beschwerde ein

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten, mit der er insbesondere vorbringt, die Vollmacht sei durch das Schreiben vom 20.11.2020 aufgrund der Geschäftsunfähigkeit des Klägers nicht wirksam widerrufen worden. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 23.08.2021 nicht abgeholfen.

 

OLG Karlsruhe – sofortige Beschwerde erfolgreich

Gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO ist über die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Maßgeblich für die Entscheidung sind insbesondere der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang und die damit einhergehende voraussichtliche Kostenentscheidung. Bei dessen Beurteilung kann auch neuer, d. h. nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung und gegebenenfalls auch erst im Beschwerdeverfahren vorgebrachter Tatsachenvortrag noch zu berücksichtigen sein. Dies gilt zwar nicht uneingeschränkt, jedenfalls aber für unstreitigen Tatsachenvortrag, der keiner weiteren Aufklärung oder gar Beweisaufnahme bedarf. Danach entsprach es vorliegend der Billigkeit, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Denn unter Würdigung des maßgeblichen Sach- und Streitstands stand dem Kläger zur Zeit des erledigenden Ereignisses kein Anspruch gegen den Beklagten auf Herausgabe der Vollmachtsurkunde aus § 175 BGB zu.

Die Klage war nach alledem zum Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses unbegründet, sodass dem Kläger nach allgemeinen kostenrechtlichen Grundsätzen (vgl. § 91 Absatz 1. S. 1 ZPO) auch im Rahmen einer Entscheidung nach § 91 a Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen waren. (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.01.2022 – 10 W 8/21)

 

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