Erbrecht – Eine fehlgeschlagene „lenkende Ausschlagung“ kann angefochten werden

Verstirbt eine Person ohne Testament, kommt die gesetzliche Erbfolge in einer Miterbengemeinschaft häufig zum Tragen, die so eventuell gar nicht gewollt ist. Daher wird oft versucht, durch eine so- genannte lenkende Ausschlagung die Erbschaft zu korrigieren. Problematisch wird es, wenn die beabsichtigten Rechtsfolgen nicht eintreten. Unter bestimmten Voraussetzungen lassen sich solche Ausschlagungen rückgängig machen. In der Regel dann, wenn sie als sogenannter Inhaltsirrtum anerkannt werden, entschied das OLG Brandenburg mit Beschluss vom 27.07.2022 – 3 W 59/22.

In dem vom OLG Brandenburg zu entscheidenden Fall ist eine Frau verstorben, ohne ein Testament zu hinterlassen. Nach der gesetzlichen Erbfolge sind ihr Ehemann und ihre beiden gemeinsamen Söhne Erben geworden. Die beiden Söhne haben das Erbe form- und fristgerecht zu Gunsten ihres Vaters ausgeschlossen, da sie kein Interesse an der Erbmasse hatten. Als die Söhne jedoch erfahren haben, dass ihre Erbanteile in Folge der Ausschlagung nicht auf ihren Vater, sondern auf die noch lebenden Eltern der verstorbenen Mutter übergegangen sind, haben sie ihre Ausschlagungserklärung angefochten und einen auf sie und den Vater lautenden Erbschein beantragt.

Das OLG Brandenburg hielt das für rechtmäßig. Der beantragte Erbschein entspreche der gesetzlichen Erbfolge. Diese sei eingetreten, da die Söhne ihre Ausschlagungserklärungen wirksam angefochten hätten. Dies war nicht bei jeder fehlgeschlagenen lenkenden Ausschlagung automatisch der Fall. Zu einer Anfechtung berechtige insbesondere aber ein Irrtum bei dem Inhalt der Erklärung. Ein solcher Inhaltsirrtum könne auch darin gesehen werden, dass der Erklärende über die Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, da das Rechtsgeschäft nicht die von ihm erstrebten Rechtswirkungen erzeugt, sondern solche, die sich davon unterscheiden. Ein derartiger Rechtsirrtum wird jedenfalls zur Anfechtung berechtigen, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft eine wesentlich andere als die beabsichtigte Wirkung erzeuge. Dies sei dann der Fall, wenn der Anfechtende davon ausgehe, dass ein Erbteil dem verbleibenden Erben anwachse, obwohl in Wahrheit die gesetzliche Erbfolge neu bewertet werde. Dies sei aber hier der Fall, da die Söhne dachten, ihr Vater werde nach ihrer Ausschlagung als verbleibender Erbe Alleinerbe. Stattdessen aber werden die ausschlagenden Söhne wie vorverstorben behandelt, so dass die Eltern der Verstorbenen als gesetzliche Erben zweiter Ordnung neben dem Ehepartner erben. Daher war die Anfechtung wirksam und die Erbfolge richtete sich wieder nach der ursprünglichen gesetzlichen Erbfolge.

Der Fall zeigt, dass man sich vor der Ausschlagung eines Erbes gut mit den möglichen Rechtsfolgen auseinandersetzen sollte.

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