Erbrecht: BGH zur Vorsorgevollmacht Demenzkranker
Ein naher Angehöriger kann, sofern er erstinstanzlich in einer Betreuungssache beteiligt war, gegen einen Betreuungsbeschluss der Beschwerdeinstanz im eigenen Namen eine Rechtsbeschwerde führen. Dazu muss er laut BGH wieder Erstbeschwerde eingelegt haben noch durch die Entscheidung formell beschwert sein. Hat ein Demenzkranker eine Vorsorgevollmacht erteilt, müsse das Gericht alle Bedenken ausräumen, ob er zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig war.
(BGH, Beschluss vom 16.06.2021-XII ZB 554/20).
Hintergrund- Demenzkranke erteilt Vorsorgevollmacht
Eine Frau litt an Demenz und erteilte im April 2020 zur Vermeidung einer Betreuung einem ihrer Söhne eine Vorsorgevollmacht. Daraufhin regte dieser beim zuständigen Amtsgericht an, dass er selbst und seine Ehefrau zu Betreuern der Betroffenen bestellt werden. Das Amtsgericht entsprach dem Antrag nicht und bestellte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der Mutter einen Berufsbetreuer. Auf die Beschwerden des Abkömmlings sowie zweier Geschwister hob das Landgericht die Entscheidung auf. Zwar liege bei der Kranken laut Gutachter eine hochgradige Gedächtnisstörung vor, sodass Entscheidung und Handlungsfreiheit nicht mehr bestünden. Diese Entscheidung steht aber im Widerspruch zu einem Krankenhausbericht, indem sie fünf Tage vor Erteilung der Vollmacht für einwilligungsfähig befunden worden sei. Es bestünden erhebliche Zweifel, dass sich ihr Zustand in so kurzer Zeit derart verschlechtert habe, dass eine Geschäftsunfähigkeit hinreichend sicher fest stehe. Damit war die Tochter der Demenzkranken nicht einverstanden und legte Rechtsbeschwerde beim BGH ein.
BGH- weitere Ermittlungen zur Geschäftsfähigkeit nötig
Laut BGH folge die Beschwerdebefugnis der Tochter für das Verfahren der Rechtsbeschwerde aus der entsprechenden Anwendung von § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Um dieses Rechtsmittel einlegen zu können, müsse sie weder eine Erstbeschwerde eingelegt haben noch durch die Entscheidung formell beschwert sein. Darüber hinaus betonten die Karlsruher Richter, dass es grundsätzlich keine Anhaltspunkte gebe, wonach die Erteilung der Vollmacht durch die Demenzkranke unwirksam war. Die Betroffene sei zu diesem Zeitpunkt nicht geschäftsunfähig nach § 104 Nr. 2 BGB gewesen. Insofern habe die Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht auch nicht positiv festgestellt werden können. Der BGH monierte aber, dass die Erwägungen des Landgerichts keine ausreichende Grundlage bieten, um ohne weitere Ermittlungen von dem eingeholten Sachverständigengutachten abweichen zu können. Dass die Frau von einem Psychiater trotz ihrer Demenzerkrankung dabei für einwilligungsfähig gehalten worden sei, lasse ohne eine weitere sachverständige Beratung keinen Rückschluss auf ihre Geschäftsfähigkeit zu diesem Zeitpunkt zu.
Der vorliegende Fall zeigt, wie wichtig es ist, frühzeitig vorzusorgen gerade bei der Verfassung und der Erteilung von Vorsorgevollmachten achtsam zu sein. In der Praxis kommt es häufig zu formellen Fehlern, die nicht selten zur Folge haben, dass anstelle des gewünschten Vorsorgebevollmächtigten vom jeweiligen Nachlassgericht ein Berufsbetreuer eingesetzt wird. Dies lässt sich vermeiden. Unsere auf das Erbrecht spezialisierten Anwälte stehen Ihnen bei sämtlichen Fragen rund um das Thema Vorsorgevollmacht gerne zur Verfügung.
Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht