Erbrecht - BGH zur Erhaltung des Vermögens des Betroffenen zu Gunsten eines betroffenen Erben
Eine Betreuung hat nicht den Zweck, das Vermögen des Betroffenen zu Gunsten eines gesetzlichen Erben zu erhalten oder zu vermehren. Wird einem Angehörigen eine Vorsorgevollmacht erteilt, steht diese laut Bundesgerichtshof der Bestellung eines Betreuers entgegen. Entscheidend sei dabei der mutmaßliche Wille des Betreuten, der sich auf die Umsetzung seiner Vorstellungen aus gesunden Zeiten und seine eigene beste Versorgung und Pflege richte.
(BGH, Beschluss vom 19.05.2021 – XII ZB 518/20).
Hintergrund
Die Karlsruher Richter hatten über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Sohn die Aufhebung einer General- und Vorsorgevollmacht, die seine demenzkranke Mutter dem Bruder in Sachen Vermögensvorsorge erteilt hatte, verlangt hat. Ihr im April 2018 verstorbener Ehemann hat sie dem einen Sohn im Jahr 2002 zwei Mehrfamilienhäuser geschenkt und dem anderen Sohn sowie dessen Ehefrau den Fleischereibetrieb der Familie übergeben. Kurz vor seinem Tode setzte er seine Frau sowie den mit dem Betrieb beschenkten Sohn im Testament als Erben ein. Ihm wurde auferlegt, die Gattin würdevoll und angemessen zu versorgen und zu pflegen. Kurze Zeit später ergab ein Sachverständigengutachten, das die Frau an Alzheimer leide, geschäftsunfähig und hochgradig hilflos sei. Nach dem Tod des Fleischers fuhr die Witwe mit dem anderen Sohn zur Sparkasse und ließ ihm 1.021.000 € zukommen. Dann gingen beide zu einer Notarin, die den Widerruf der erteilten Vollmacht und die Ausschlagung des Erbes durch die Mutter beurkundete. Im August bestellte das Amtsgericht Eckernförde dann einen Kontrollbetreuer. Dieser regte jedoch die Aufhebung an, nachdem sich der Mann verpflichtet hatte, es zu unterlassen, von den Vollmachten ohne Rücksprache und Zustimmung des Bruders Gebrauch zu machen. Das zuständige Amtsgericht folgte dem und hob die Aufhebung auf. Das Landgericht Kiel wies Beschwerde des anderen Sohnes zurück. Dagegen legte dieser Sohn, sowohl für seine Mutter als auch für sich, beim BGH erfolglos Rechtsbeschwerde ein.
Mutmaßlicher Wille der Betroffenen entscheidet
Der BGH befand, dass das Landgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass nach § 1896 Abs. 2 BGB keine Betreuung erforderlich sei. Eine Vorsorgevollmacht steht einer Bestellung grundsätzlich entgegen. Dem siebten Zivilsenat zufolge war nicht zu befürchten, dass die Wahrnehmung der Interessen der Mutter durch den bevollmächtigten Sohn eine konkrete Gefahr begründet. Dieser kann ihre Angelegenheiten ebenso gut wie ein Betreuer besorgen. Darüber hinaus sei der Widerruf der Bevollmächtigung aufgrund der Geschäftsunfähigkeit der Mutter unwirksam gewesen. Es sei davon auszugehen, dass sie und der Erblasser die Verteilung ihres Nachlasses langfristig gemeinsam geplant hätten. Ihr mutmaßlicher Wille richtete sich demnach nicht auf die Optimierung ihrer eigenen finanziellen Situation als künftiger Erblasserin, sondern auf die Umsetzung ihrer Vorstellung aus gesunden Zeiten und ihre eigene beste Versorgung und Pflege.
Diese Entscheidung des BGH zeigt erneut, wie wichtig es ist, rechtzeitig Vorsorge zu treffen. Unsere im Erbrecht spezialisierten Anwälte stehen Ihnen rund um das Thema Vorsorgevollmacht jederzeit gerne zur Verfügung.
Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht