Erbrecht - BGH zum Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten nach Ausschlagung seines Erbteils
Einem Pflichtteilsberechtigten steht auch nach Ausschlagung seines Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1 BGB ein Auskunftsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 BGB zu.
BGH, Urteil vom 30.11.2022 – IV ZR 60/22
Hintergrund
Die Parteien sind Kinder des 2015 verstorbenen Erblassers. Dieser hatte zusammen mit seiner bereits vorverstorbenen Ehefrau seine fünf Kinder als Erben eingesetzt. Für den Beklagten, einen weiteren Bruder des Klägers, hatte er Grundstücksvermächtnisse angeordnet und den Beklagten zum Testamentsvollstrecker bestellt. Die Klägerinnen, seine beiden Schwestern, schlugen die Erbschaft jeweils nach § 2306 Abs. 1 BGB aus.
Nach dem Tod des Erblassers trat der Kläger seinen Pflichtteilsanspruch in Höhe einer Schmerzensgeldforderung seiner Stieftochter gegen ihn von 12.000,00 € an diese ab. Der Kläger forderte den Beklagten erfolglos zur Auskunftserteilung auf. Er hat beantragt, ihn zu verurteilen, auf der ersten Stufe Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses über alle ergänzungspflichtigen Zuwendungen und alle unter Abkömmlingen ausgleichspflichtigen Zuwendungen, die der Erblasser jeweils zu Lebzeiten getätigt hatte. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung als auch die Revision des Beklagten blieben erfolglos.
BGH: Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB besteht
Die Frage, ob ein Pflichtteilsberechtigter nach Ausschlagung seines Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1 HS 1 BGB nicht Erbe im Sinne des § 2314 Abs. 1 BGB ist, ist umstritten. Nach der herrschenden Meinung steht einem Pflichtteilsberechtigten nach Ausschlagung seines Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1 HS 1 BGB ein Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 BGB zu. Werde eine Erbschaft ausgeschlagen, gilt der Anfall an den Ausschlagenden gemäß § 1953 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt. Es sei nicht einzusehen, warum der als Erbe eingesetzte Pflichtteilsberechtigte, der die Erbschaft ausschlage, zwar nach § 2306 Abs. 1 BGB den Pflichtteil verlangen könne, ihm aber der Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 BGB nicht zustehe.
Dieser Auffassung schlossen sich auch die Karlsruher Richter an. Ein Pflichtteilsberechtigter ist nach Ausschlagung seines Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1 HS 1 BGB nicht Erbe im Sinne von § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 BGB steht ihm zu. Hierfür spreche schon der Wortlaut des § 2314 Abs. 1 BGB sowie die Gesetzessystematik. Das Argument, dass bei einer Ausschlagung nach § 2306 Abs. 1 HS 1 BGB der Pflichtteilsberechtigte zum Zeitpunkt des Erbfalls noch Erbe gewesen sei, verfängt nicht. Zum einen verlangt § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB nur, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe ist, nicht aber, dass er dieses zu keiner Zeit war. Zum anderen ist der vorläufige Erbe dessen Erbteil wirksam ausgeschlagen hat, nach § 1953 Abs. 1 BGB materiellrechtlich von Anfang an als Nichterbe anzusehen, worauf das Berufungsgericht zu Recht hingewiesen hat. Die Erbschaft fällt gemäß § 1953 Abs. 2 BGB dem Nächstberufenen an, der vom Erbfall an das Erbe gilt und unmittelbarer Rechtsnachfolger des Erblassers ist.
Der Kläger war daher trotz Abtretung seines Pflichtteilsanspruchs an seine Stieftochter in Höhe deren Schmerzensgeldforderung aktivlegitimiert. Ein Kläger ist aktivlegitimiert, wenn er die Befugnis hat, den Klageanspruch nach materiellem Recht in eigener Person geltend zu machen. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger als ursprünglicher Gläubiger des Auskunftsanspruchs nicht mehr aktivlegitimiert ist. Da dem Zedenten (dem Abtretenden) und dem Zessionar (Neugläubiger) bei einer Teilabtretung jeweils eigenständige Auskunftsrechte zustehen, wäre es entgegen der Ansicht der Revision zunächst Sache des Beklagten gewesen, darzulegen, dass der Kläger seinen Pflichtteilsanspruch durch dessen dem Wortlaut des Vergleichs nach nur beschränkte Abtretung vollständig verloren hat. Dies ist jedoch nicht geschehen.
Bei Fragen zum Thema Pflichtteilsrecht sowie der Ausschlagung von Erbteilen oder der Geltendmachung von Auskunftsansprüchen stehen Ihnen unsere auf das Erbrecht spezialisierten Anwälte kompetent zur Verfügung.
Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht