Erbrecht – Ausschlagung der Erbschaft
Der Nachlasspfleger ist nicht berechtigt, mit Wirkung für die unbekannten Erben eine in den Nachlass des Erblassers gefallene weitere Erbschaft auszuschlagen. Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft ist ein allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zustehendes Recht.
BGH, Beschluss vom 16.03.2022 – IV ZB 27/21.
Hintergrund
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hat der Beteiligte zu 2.) als Nachlasspfleger für die unbekannten Erben der am 25.02.2021 verstorbenen Erblasserin die nachlassgerichtliche Genehmigung zur Ausschlagung einer der Erblasserin angefallenen Erbschaft erklärt. Die unter Betreuung stehende Erblasserin war gesetzliche Miterbin ihres am 07.11.2020 vorverstorbenen Ehemannes.
Mit notarieller Urkunde vom 04.02.2021 erklärte die für die Erblasserin eingesetzte Betreuerin die Ausschlagung der Erbschaft sowie die vorsorgliche Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist gegenüber dem Nachlassgericht und beantragte die Genehmigung der Ausschlagungserklärung durch das Betreuungsgericht.
In Folge des Todes der Erblasserin wurde über diesen Antrag nicht mehr entschieden. Das Nachlassgericht bestellte sodann den Beteiligten zu 2.) mit Beschluss vom 09.03.2021 zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben der Erblasserin mit den Aufgabenkreisen Ermittlung der Erben sowie Sicherung und Verwaltung des Nachlasses.
Mit notarieller Urkunde vom 25.03.2021 schlug der Beteiligte zu 2.) für die unbekannten Erben der Erblasserin die Erbschaft nach dem Ehemann aus und focht vorsorglich eine etwaige Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtums an.
Ferner beantragte er die nachlassgerichtliche Genehmigung der Ausschlagungsklärung. Der vom Nachlassgericht zur Vertretung der unbekannten Erben in dem streitgegenständlichen Genehmigungsverfahren zum Verfahrenspfleger bestellte Beteiligte zu 1.) trat dem Antrag unter Hinweis auf die Höchstpersönlichkeit des Ausschlagungsrechts entgegen.
Das Nachlassgericht erteilte am 27.05.2021 die beantragte Genehmigung. Gemäß § 1960 Abs. 1 BGB hat das Nachlassgericht bis zur Annahme der Erbschaft für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Das gleiche gilt, wenn der Erbe unbekannt ist oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat.
Der von dem Nachlassgericht gemäß § 1960 Abs. 2 BGB zu bestellende Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter des Erben. In dieser Eigenschaft und nicht etwa als Vertreter des Nachlasses hat er seiner Hauptaufgabe, der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses, für den wirklichen Erben nachzukommen und mit nach außen grundsätzlich unbeschränkter Vertretungsmacht und Vertretungsbefugnis. In diesem Zusammenhang hat der Nachlasspfleger den Nachlass zu erhalten, zu verwalten und die Vermögensinteressen der noch festzustellenden Erben wahrzunehmen.
Der Nachlasspfleger ist insbesondere nicht berechtigt, die Erbschaft für die unbekannten Erben anzunehmen oder auszuschlagen.
Dass der Nachlasspfleger als Vertreter der unbekannten Erben nicht deren Erbenstellung durch Annahme oder Ausschlagung beeinflussen darf, kommt auch unmittelbar im Wortlaut von § 1960 BGB zum Ausdruck, wonach das Nachlassgericht, soweit ein Bedürfnis besteht, bis zur Annahme der Erbschaft die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung des Nachlasses zu treffen hat und für denjenigen, welcher Erbe wird, einen Pfleger bestellen kann.
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Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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