Erbrecht: Auskunft beim Pflichtteil – Erbe muss dem Pflichtteilsberechtigten Details zu Grundschulden mitteilen
Hat der Erblasser zur Sicherung von Verbindlichkeiten Dritter Grundschulden zu Lasten ihm gehörender Grundstücke bestellt, muss das dem Pflichtteilsberechtigten vorzulegende Nachlassverzeichnis die gesicherten Verbindlichkeiten und ihre Höhe am Tag des Erbfalles aufführen (Beschluss des OLG Düsseldorf vom 22.06.2020, Az.: I-7 W 32/20).
Hintergrund
In dem vom OLG Düsseldorf zu entscheidenden Fall hatte der Erblasser eines seiner Kinder enterbt. Dieses machte nach dem Tod des Vaters gegen seine Geschwister Auskunftsansprüche zum Nachlassvermögen geltend, um seine Pflichtteilsansprüche berechnen zu können. Die Erben erteilten dazu auch Auskunft. Unter den anzugebenden Nachlasspassiva hatten sie aber nur „Hypotheken, Grundschulden und sonstige Verbindlichkeiten“ aufgeführt und mitgeteilt, welches Grundstück zugunsten welcher Person in welcher Höhe mit einer Grundschuld belastet ist. Der Pflichtteilsberechtigte war damit nicht zufrieden und verlangte weitere Auskunft. Er wollte wissen, für welche Verbindlichkeiten Grundschulden bestellt worden sind.
OLG: erteilte Auskünfte genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen
Die Richter aus Düsseldorf gaben dem Pflichtteilsberechtigten Recht. Auch sie waren der Auffassung, dass die bisher erteilten Auskünfte zu den auf den Grundstücken lastenden Grundschulden nicht den gesetzlichen Anforderungen genügten. Die Erben hätten mitteilen müssen, welche Verbindlichkeiten durch die einzelnen Grundschulden gesichert sind. Dies mithilfe der mit dem Verzeichnis vorgelegten Unterlagen selbst zu ermitteln und zuzuordnen, könne dem Pflichtteilsberechtigten nicht zugemutet werden. Der Pflichtteilsberechtigte benötigt diese Angaben für die Berechnung seines Pflichtteilsanspruchs, für den er hinsichtlich sämtlicher Voraussetzungen beweispflichtig ist sowie zur Prüfung, ob die Grundpfandrechte als zweifelhafte Verbindlichkeiten nach § 2313 Abs. 2 S. 1 BGB außer Ansatz zu bleiben haben. Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH der Fall, solange ungewiss ist, ob und inwieweit es zu einer Inanspruchnahme des Grundpfandrechts kommt (BGH NJW 2011, 606).
Was sind die gesetzlichen Anforderungen?
Der Beschluss des OLG Düsseldorf zeigt, dass der Pflichtteilsberechtigte einen umfassenden Auskunftsanspruch gegen die Erben hat, um seinen Pflichtteilsanspruch beziffern zu können. Doch welche Auskunftsansprüche stehen dem Pflichtteilsberechtigten überhaupt zu und welche gesetzlichen Regelungen gibt es hierzu? In unserem Erbrechtsblog vom Juni 2016 haben wir uns bereits mit den Auskunftsansprüchen beschäftigt und nutzen die vorbezeichnete Entscheidung um das wichtigste rund um den Auskunftsanspruch des Pflichtberechtigten zu klären.
Die Auskunftsansprüche des Pflichtteilsberechtigten
Ein Pflichtteilsberechtigter (§§ 2303, 2309 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), der nicht Erbe ist, weil
- er entweder vom Erblasser im Testament nicht als Erbe eingesetzt bzw. vom Erbe ausgeschlossen worden ist
- oder er zwar als (Mit- oder Nach-)Erbe eingesetzt war, aber den Erbteil nach § 2306 BGB gemäß §§ 1945, 1953 BGB ausgeschlagen hat,
- wegen seiner Beschränkung durch eine Einsetzung als Nacherben, durch die Einsetzung eines anderen als Nacherben, durch die Ernennung eines Testamentsvollstreckers, durch eine Teilungsanordnung oder
- aufgrund seiner Beschwerung mit einem Vermächtnis oder einer Auflage (vgl. hierzu auch Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 05.07.2006 – IV ZB 39/05 – und Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 387/15 –)
kann nach § 2314 BGB von dem Erben, auf Kosten des Nachlasses, verlangen,
Auskunft über den Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers durch Vorlage eines geordneten Bestandsverzeichnisses, welches zu enthalten hat,
- alle beim Erbfall vorhandenen Aktiva, also alle beweglichen und unbeweglichen Vermögensgegenstände sowie Forderungen, insbesondere auch Konten- und Wertpapierguthaben,
- alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Erblasser- und Erbfallschulden),
- alle ausgleichspflichtigen Zuwendungen des Erblassers im Sinne der §§ 2025 ff BGB,
- alle Schenkungen, die der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall gemacht hat sowie wann diese jeweils gemacht worden sind, weil diese Schenkungen gemäß § 2325 BGB einen Pflichtteilsergänzungsanspruch begründen,
- alle Lebensversicherungen und sonstigen Verträge zu Gunsten Dritter und
- alle Geschäftsbeteiligungen des Erblassers, gleichviel ob die Gesellschafterstellung vererblich war oder nicht,
- dass er oder sein Rechtsbeistand bei der Aufnahme des nach § 260 BGB vorzulegenden Bestandsverzeichnisses zugezogen werden,
- der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird
sowie auch,
dass das Bestandsverzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird.
Der Auskunftsanspruch soll es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen.
Da einem notariell aufgenommenen Verzeichnis eine größere Richtigkeitsgarantie zukommt, kann dem Anspruch (auch bzw. zusätzlich) ein solches vorzulegen, nur in besonderen Einzelfällen, wie jedem anderen Anspruch auch, der Einwand des Rechtsmissbrauchs oder der Schikane entgegenstehen, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist.
Grundsätzlich verweigern kann der Erbe die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses entsprechend § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB dann,
- wenn ein Aktivnachlass, aus dem die Kosten für den Notar entnommen werden können, nicht vorhanden ist,
- wobei den Nachweis der Dürftigkeit dabei der Erbe zu führen hat.
Dem Pflichtteilsberechtigten verbleibt in diesem Fall die Möglichkeit,
- eine private Auskunft nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB und
- eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Auskunft
vom Erben zu verlangen.
Dem Erben ist es verwehrt sich im Hinblick auf die Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses auf die Dürftigkeitseinrede zu berufen, wenn der Pflichtteilsberechtigte
- bereit ist, die Kosten für das Verzeichnis zu tragen und
- bereit ist diese im Voraus direkt an den Notar zu entrichten (Oberlandesgericht (OLG) München mit Urteil vom 01.06.2017 – 23 U 3956/16 –).
Liegt ein notarielles Nachlassverzeichnis vor, so kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich nicht dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Vielmehr ist er in diesem Fall, soweit die Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB vorliegen, auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verwiesen.
Allerdings kann ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Ergänzung bzw. Berichtigung des Nachlassverzeichnisses bestehen,
- wenn in diesem eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen – etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Pflichtigen – nicht aufgeführt ist,
- wenn Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen,
- wenn die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat,
- wenn sich ein Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt oder
- wenn das notarielle Nachlassverzeichnis wegen unterbliebener Mitwirkung des Erben teilweise unvollständig ist, beispielsweise wegen verweigerter Zustimmung des Erben zu einem Kontendatenabruf des Notars bei einem ausländischen Kreditinstitut (BGH, Urteil vom 20.05.2020 – IV ZR 193/19 –).
Gerne beraten wir Sie als Erbe welche Punkte sie bei der Auskunftserteilung unbedingt beachten müssen und unterstützen Sie bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses sowie der ggf. vorzunehmenden Abwehr unberechtigter Forderungen. Sind Sie pflichtteilsberechtigt helfen wir ihnen bei der Geltendmachung und Durchsetzung Ihrer Auskunftsansprüche bis hin zur Durchsetzung Ihrer Pflichtteilsansprüche.
Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht