Erbrecht - Ausgleichungspflicht besonderer Leistungen

1.
Ein Anspruch eines Miterben nach § 2057a BGB bewirkt, dass der anspruchsberechtigte Miterbe über seinen Erbanteil hinaus den Betrag zusätzlich aus dem Nachlass verlangen kann, d. h., dass sein Anspruch im Voraus aus dem Nachlass zu befriedigen ist, bevor der verbleibende Nachlass entsprechend den Erbquoten unter sämtlichen Erben zu verteilen ist.

2.
Nach § 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB gehören zu den anspruchsbegründenden besonderen Leistungen insbesondere auch unentgeltlich erbrachte Pflegeleistungen gegenüber dem späteren Erblasser.

OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21.10.2021 – 2 U 11/21

Sachverhalt

Der Kläger begehrte vom Beklagten, seinem Bruder, die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach ihrer gemeinsamen Mutter. Kläger und Beklagter waren Erben nach ihrer Mutter jeweils zu einem Anteil von ein halb. Die Auseinandersetzung ist teilweise bereits erfolgt, offen war noch die Aufteilung einer im Jahre 2007 an die Mutter gezahlten Abfindung in Höhe von € 43.500,00. Während des laufenden Rechtsstreits haben die Prozessparteien einen Vergleich über die Hauptforderung geschlossen, danach hat der Beklagte die Klageforderung in Höhe von € 20.000,00 anerkannt. Bei der Fortsetzung des Rechtsstreits und auch im Berufungsverfahren ging es um die Zinsforderung, welche der Kläger mit der am 23.01.2020 erhobenen Klage geltend gemacht hat, reduziert auf den anerkannten Betrag der Hauptforderung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

OLG Naumburg: Klage unbegründet

Das OLG Naumburg entschied, dass die Berufung des Klägers zulässig sei, in der Sache allerdings keinen Erfolg hat.

Das Berufungsgericht begründet sein Urteil insbesondere auch damit, dass von den Aktiva des Nachlasses neben den von den Prozessparteien bereits vor dem vorliegenden Rechtsstreit anerkannten Nachlassverbindlichkeiten eine weitere Forderung abzuziehen ist, nämlich der Anspruch des Beklagten gegen den Nachlass nach § 2057 a BGB. Dies führte jedenfalls zur Erschöpfung des Nachlasses durch die bis Juli 2019 vorgenommenen Auszahlungen im Rahmen einer Auseinandersetzung. Mangels einer Resthauptforderung des Klägers gegen den Beklagten besteht auch kein Anspruch auf Verzugszinsen.

Ein Anspruch eines Miterben nach § 2057 a Abs. 1 BGB bewirkt, dass der anspruchsberechtigte Miterbe über seinen Erbanteil hinaus den Betrag zusätzlich aus dem Nachlass verlangen kann, d. h. dass er im Voraus aus dem Nachlass seinen Ausgleichsanspruch befriedigen kann, bevor der verbleibende Nachlass entsprechend den Erbquoten verteilt wird. Nach diesen Maßstäben wurde hier der zusätzlich als Aktiva zu berücksichtigende Betrag durch die vorzubewirkende Auszahlung des Ausgleichsanspruchs des Beklagten aufgezehrt, sodass für die nach den paritätischen Erbquoten vorzunehmende Verteilung ein zusätzlicher Betrag nicht verblieb. Nach § 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB sind insbesondere auch Pflegeleistungen, welche der künftige Miterbe gegenüber dem Erblasser erbringt, als besondere Leistungen im Sinne der Vorschrift anzusehen. Zwar hat der Kläger den Umfang der vom Beklagten behaupteten Pflegeleistungen bestritten, aber bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts stehen besondere Pflegeleistungen des Beklagten in einem nicht unerheblichen Umfang fest. Denn die Erblasserin war ab dem Jahre 1998 wegen fortschreitender Demenz und ab dem Jahre 2009 wegen der eingetretenen Immobilität erheblich pflegebedürftig.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Umstand, dass das Amtsgericht dem Beklagten im Rahmen der Betreuung eine Berechtigung zur Entnahme von € 1.000,00 je Monat vom Konto der Betroffenen einräumte, keinen Einfluss auf den Ausgleichsanspruch nach § 2057 a Abs. 1 BGB. Allerdings ist klarzustellen, dass es insoweit nicht etwa um eine Vergütung für die Tätigkeit als Betreuer ging, sondern um einen Betrag zur Begleichung der laufenden Lebenshaltungskosten der Betroffenen. Diese Berechtigung wird pauschal erteilt, um den Betreuer insoweit von der Rechenschaftslegung im Einzelnen zu befreien. Es ist unstreitig, dass der Beklagte von dieser Berechtigung keinen Gebrauch machte. Selbst wenn er die Kontovollmacht für Abhebungen zugunsten der Erblasserin genutzt hätte, käme diesen Beträgen keine Bedeutung im Sinne von § 2057 a Abs. 2 BGB zu. Schließlich ist festzuhalten, dass auch der Umstand, dass der Beklagte die Pflegeleistungen gegenüber der Erblasserin unentgeltlich erbrachte, nicht etwa dazu führt, dass er mit einem Ausgleichsanspruch nach § 2057 a BGB ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber hat es vielmehr sogar als Regelfall angesehen, das besondere Leistungen im Sinne des § 2057 a Abs. 1 BGB unentgeltlich erbracht werden. Der in Abs. 1 S. 2 getroffenen Regelung sollte gerade eine besondere Wertschätzung der unentgeltlichen Pflegeleistungen bewirkt werden. Dies zeigt sich auch in der Anrechnungsregelung des § 2057 a Abs. 2 BGB; wo Entgelte nicht gezahlt worden sind, ist nichts anzurechnen. Der Ausgleichsanspruch des Beklagten gegen den Nachlass nach § 2057 a Abs. 1 BGB war damit hier teilweise begründet. Der begründete Betrag übersteigt den Betrag der zusätzlich zu berücksichtigenden Aktiva des Nachlasses. Denn die Höhe des Ausgleichsanspruches hat das Prozessgericht, welches über die Erbauseinandersetzung entscheidet, nach § 2057 a Abs. 3 BGB nach billigem Ermessen festzusetzen. Dabei sind die Intensität bzw. der Umfang sowie die Dauer der gegenüber der Erblasserin erbrachten Pflegeleistungen angemessen zu berücksichtigen.

Hintergrund

Die Entscheidung zeigt deutlich die Funktionsweise des § 2057 a BGB, welche die Ausgleichungspflicht bei besonderen Leistungen eines Abkömmlings festschreibt.

Demnach kann ein Abkömmling, der durch Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers während längerer Zeit, durch erhebliche Geldleistungen oder in anderer Weise in besonderem Maße dazu beigetragen hat, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde, bei der Auseinandersetzung eine Ausgleichung unter den Abkömmlingen verlangen, die mit ihm als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen. Dies gilt auch für einen Abkömmling der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat

In unserer auf das Erbrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei Fragen zur Ausgleichungspflicht besonderer Leistungen kompetent zur Verfügung.