Erbrecht - Die Anfechtungserklärung einer Erbausschlagung muss im Original innerhalb der Anfechtungsfrist beim Nachlassgericht eintreffen
OLG Bamberg, Beschluss vom 21.03.2022 – 2 W 35/21
Sachverhalt
Das Oberlandesgericht Bamberg hatte in dieser Sache die Wirksamkeit einer Anfechtungserklärung einer Erbausschlagung zu überprüfen. Der kinderlose Erblasser war im Jahr 2019 verstorben, ohne ein Testament zu hinterlassen. Als gesetzliche Erben kamen vor allem zwei Geschwister des Erblassers in Betracht. Diese beiden Geschwister hielten die Erbschaft aber offenbar nicht für werthaltig und erklärten am 30.09.2019 bzw. am 01.10.2019 die Ausschlagung der Erbschaft. Aufgrund der unklaren Lage ordnete das zuständige Nachlassgericht daraufhin eine Nachlasspflegschaft an. Der Nachlasspfleger stellte fest, dass der Erblasser nicht vermögenslos gewesen war, sondern am Todestag über Bankguthaben in Höhe von ca. € 17.980,00 verfügt hatte. Hierüber informierte das Nachlassgericht die beiden Geschwister des Erblassers am 18.08.2020. Diese bereuten ihre Ausschlagung und wollten diese rückgängig machen. Deshalb suchten die beiden Geschwister des Erblassers eine Rechtsanwältin auf und erklärten über diese Anwältin die Anfechtung ihrer Ausschlagungserklärung wegen Irrtums. Die Anwältin meldete sich am 29.09.2020 beim Nachlassgericht und übermittelte über das besondere elektronische Anwaltspostfach beA als PDF-Datei zwei notariell beglaubigte Anfechtungserklärungen der beiden Geschwister. In diesem Schreiben kündigte die Anwältin an, die Anfechtungserklärungen im Original auf dem Postwege nachzureichen. Die Originale erreichten das Nachlassgericht wenige Tage später am 01.10.2020
Im März 2021 ordnete das Nachlassgericht die Aufhebung der Nachlasspflegschaft an. Durch diese Aufhebung war aber ein Sozialhilfeträger, der dem Erblasser zu Lebzeiten Leistungen in Höhe von über € 6.000,00 gewährt hatte, nicht einverstanden. Der Sozialhilfeträger beantragte daher beim Nachlassgericht die Wiedereinsetzung eines Nachlasspflegers, da er in Anbetracht der unklaren Erbfolge seine Forderungen gegenüber diesem Nachlasspfleger geltend machen wollte. Das Nachlassgericht weigerte sich jedoch, einen Nachlasspfleger einzusetzen. Zwar bestätigte das Nachlassgericht, dass die Erbfolge nach dem Erblasser unklar sei. Diese Unklarheit könne aber in einem Erbscheinverfahren beseitigt werden. Der Sozialhilfeträger könne ja, so die Empfehlung des Nachlassgerichts, einen Erbschein beantragen. Gegen die Weigerung des Nachlassgerichts, erneut einen Nachlasspfleger einzusetzen, legte der Sozialhilfeträger Beschwerde zum OLG ein und bekam auch Recht.
OLG besteht auf Nachlasspfleger
Das OLG wies das Nachlassgericht an, erneut einen Nachlasspfleger einzusetzen. Die Entscheidung wurde mit dem Argument begründet, dass es nach wie vor eine Ungewissheit über die Frage gebe, von welchen Personen der Erblasser beerbt worden sei. In diesem Zusammenhang verwies das OLG darauf, dass die beiden Geschwister des Erblassers als Erben jedenfalls ausscheiden würden, da die Geschwister die Erbschaft ausgeschlagen hätten und die Anfechtungserklärungen der Geschwister des Erblassers das Nachlassgericht nicht fristgerecht innerhalb der zu beachtenden Sechswochenfrist erreicht hätten.
Die sechswöchige Anfechtungsfrist hätte vorliegend mit Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund mithin am 19.08.2020, 0:00 Uhr begonnen und hätte am Dienstag, den 29.09.2020, 24 Uhr, geendet (§ 1954 Abs. 1, Abs. 2, Alt. 2 BGB).
Die notariell beglaubigten Anfechtungserklärungen der Geschwister des Erblassers hätten als amtsempfangsbedürftige Willenserklärungen im Original spätestens am 29.09.2020 beim Nachlassgericht eingehen müssen. Da die Originale das Nachlassgericht aber erst am 01.10.2020 erreichten, sei die Anfechtungsfrist jedenfalls nicht eingehalten worden. Die Übermittlung der Anfechtungserklärungen als PDF-Datei sei nicht ausreichend gewesen, um die gesetzliche Frist zu wahren.
Tipp
Die Entscheidung zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass im Vorfeld genau überlegt wird, ob man Erbschaften ausschlägt oder annimmt und in der Folge sich darüber auch bewusst ist, dass Anfechtungserklärungen nur innerhalb einer bestimmten Frist erklärt werden können. Zudem müssen diese stets im Original beim Nachlassgericht eingehen.
Unsere auf das Erbrecht spezialisierten Anwälte stehen Ihnen bei sämtlichen Fragen zum Thema Erbausschlagung oder Anfechtung der Erbausschlagung kompetent zur Verfügung.
Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht