BGH zum Pflichtteilsanspruch - keine Berücksichtigung der Grabpflegekosten als Nachlassverbindlichkeiten

Mit Urteil vom 26.05.2021 entschied der BGH, dass Grabpflegekosten einen Pflichtteilsanspruch nicht verringern, insoweit sie keine Nachlassverbindlichkeiten darstellen. Das gilt selbst dann, wenn die Grabpflege testamentarisch angeordnet sein sollte. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören Grabpflegekosten aber dann, wenn der Erblasser einen Vertrag über die zu leistende Grabpflege zu Lebzeiten selbst geschlossen hat (BGH, Urteil vom 26.05.2021 – IV ZR 174/20).

Hintergrund:

In dem von dem BGH zu entscheidenden Fall verfügte die Erblasserin, dass ihr Hab und Gut verkauft werden soll. Mehrere Erben sollten jeweils fünf oder zehn Prozent vom Verkaufserlös erhalten. Im Übrigen hieß es im Testament: „Der Rest ist für die Beerdigung und 20 Jahre Pflege des Grabes. Eure Margot.“

Nach Abzug unter anderem der mit Kostenanschlag ermittelten Grabpflegekosten wurde der verbleibende Betrag anteilig an die Erben ausgezahlt. Zur Erbengemeinschaft gehörte auch der pflichtteilsberechtigte Adoptivsohn. Dieser war der Meinung, ihm stehe eine höhere Summe zu. Er berühmte sich dafür eines Anspruchs auf einen Ergänzungspflichtteil in Höhe der Differenz zu seinem gesetzlichen Pflichtteilsanspruch aus § 2305 BGB. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, da dem Willen der Verstorbenen nur Rechnung getragen werde, wenn man die Grabpflege beim Pflichtteil berücksichtige.

 

BGH: Anspruch auf Pflichtteil darf nicht gekürzt werden.

Die Karlsruher Richter sahen dies anders: Zwar trage gemäß § 1968 BGB der Erbe die Kosten der Beerdigung. Hiervon erfasst werden aber nur die eigentlichen Kosten der Beerdigung, also des Bestattungsaktes selbst, der seinen Abschluss mit der Herstellung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte findet. Die Kosten der Pflege der Grabstätte und des Grabmales zählen nicht mehr zu den Kosten der Beerdigung, sondern entspringen allenfalls einer sittlichen Verpflichtung des Erben. Es handelt sich danach um keine beim Pflichtteil zu berücksichtigende Nachlassverbindlichkeit. Hieran ändere auch die Möglichkeit nichts, diese Aufwendungen im Rahmen der Erbschaftssteuer anzugeben.

 

Anordnung im Testament nur Auflage:

Die testamentarische Anordnung war eine Auflage, die die Erben verbinde, gegenüber dem Pflichtteilsanspruch jedoch nachrangig sei und deren Wert nicht abgezogen werden könne. Der BGH führt in diesem Zusammenhang aus, dass es dem Erblasser verwehrt sein müsse, den gesetzlichen Pflichtteilsanspruch durch freigebige Vermächtnisanordnungen oder Auflagen zu schmälern oder sogar auszuhöhlen.

 

Ausnahme: Grabpflegevertrag zu Lebzeiten

Etwas anderes gelte dann, wenn der Erblasser zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag geschlossen habe. Dann tritt nämlich die Erbengemeinschaft in eine bestehende rechtswirksame Verpflichtung ein, was sich auch auf die Höhe des Nachlasses und somit des Pflichtteils auswirkt.

Mit dieser Entscheidung hat der BGH nun endlich eine langersehnte Entscheidung getroffen, wer die Grabpflegekosten im Erbfall zu tragen hat. Die Entscheidung ist insoweit wegweisend, da es bisher gerade in Bezug auf die oft beträchtlichen Grabpflegekosten hinsichtlich der Minderung des Pflichtteils häufig zum Streit gekommen ist. Weiter zeigt die Entscheidung, dass es wichtig ist, die Rechtslage durch vorsorgendes Handeln rechtzeitig zu gestalten. Als Erblasser können Sie durch den Abschluss eines Grabpflegevertrages zu Lebzeiten dafür Sorge tragen, dass nach Ihrem Versterben Ihr Grab auch von den entsprechenden Personen gepflegt wird. Als Pflichtteilsberechtigter müssen Sie sich die Grabpflegekosten künftig nicht mehr auf Ihren Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen, wenn kein Grabpflegevertrag vorliegt.

 

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