BGH – Urteil im Erbrecht zum Herausgabeanspruch aus § 2287 BGB wegen benachteiligender Schenkungen

„Da der Herausgabeanspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB nicht zum Nachlass gehört, steht der Herausgabeanspruch bei mehreren Vertragserben bzw. bindend eingesetzten Schlusserben nicht den Erben gemeinschaftlich zu, sondern jedem von ihnen persönlich und zwar zu einem seiner Erbquote entsprechenden Bruchteil.“ (BGH, Urteil vom 10.03.2021 – IV ZR 8/20)

Hintergrund

Der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau hatten sich in einem notariellen gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben und die Klägerin, Nichte der Ehefrau, sowie drei weitere ihnen nahestehende Personen als Schlusserben eingesetzt. Die Eheleute hatten ausdrücklich bestimmt, dass „die in diesem Testament niedergelegten Verfügungen … wechselbezüglich“ seien und „nur gemeinschaftlich geändert oder durch Widerruf beseitigt werden“ könnten.

 

Die Beklagte, eine Nachbarin des Erblassers, überwies aufgrund einer Bankvollmacht im März 2010 von einem Konto des Erblassers einen Betrag in Höhe von € 106.5027,23 mit dem Verwendungszweck „Schenkung“ und im Oktober 2010 von dem Sparkonto des Erblassers einen weiteren Betrag in Höhe von € 50.000 mit dem Verwendungszweck „Übertrag Sparbuch“ auf ihr eigenes Konto. In einer notariellen Urkunde vom 03.02.2011 erklärte der Erblasser unter anderem, seit 2009 habe er der Beklagten, die sich regelmäßig um ihn kümmere und zu der er seit Jahrzehnten eine nachbarschaftliches und später freundschaftliches Verhältnis habe, mehrfach größere Geldbeträge geschenkt. Sie habe in seinem vollen Einverständnis aufgrund der erteilten Vollmacht Bankgeschäfte getätigt. Die entsprechenden Beträge habe er der Beklagten geschenkt. Alle Abhebungen und Schenkungen seien aus seiner Sicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte schulde keine Auskunft und Rückzahlung. Die Schenkungen habe er aufgrund „einer großen Sympathie“ für die Beklagte vorgenommen. Am 11.07.2011 überwies die Beklagte einen weiteren Betrag in Höhe von € 50.000 vom Sparbuch des Erblassers auf ihr Konto mit dem Verwendungszweck „für Betreuungsaufgaben“. Die Nachbarin wurde von den Erben auf Auskunft und Rückzahlung in Anspruch genommen.

 

Landgericht Berlin: Beklagte schuldet Auskunft und Rückzahlung

Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Revision hat Erfolg. Das Berufungsgericht hatte unter anderem ausgeführt, der Erblasser habe alle Schenkungen an die Beklagte in der Absicht gemacht, die Vertragserben zu schädigen.

 

BGH: Kein Anspruch der Erbengemeinschaft gemäß § 2287 Abs. 1 BGB auf Erstattung

Die Karlsruher Richter meinen, dass nach der vorzunehmenden Abwägung die Verfügungen auf eine Korrektur des Erbvertrages angelegt seien und es sei kein billigenswertes lebzeitiges Eigeninteresse anzunehmen. Unabhängig davon, ob die Schenkungen wirksam waren oder nicht, habe die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der genannten Beträge an die Erbengemeinschaft. Diese Ausführungen halten in einem entscheidenden Punkt nicht stand: Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin für die Erbengemeinschaft gemäß § 2287 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Erstattung der vor dem Tod des Erblassers von der Beklagten an sich selbst überwiesen Geldbeträge geltend machen könne. Im Ergebnis noch zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass im Streitfall nur eine entsprechende Anwendung von § 2287 Abs. 1 BGB in Betracht kommt: Zwar wäre die Norm — wenn man wie das Berufungsgericht einen Erbvertrag zugrunde legt — unmittelbar anwendbar. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, das insoweit auch keine Feststellung getroffen hat, handelt es sich hier aber — wie das Landgericht auf der Grundlage der Urkunde zu Recht annimmt – um wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament; in diesem Fall findet § 2287 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung.

Das Berufungsgericht übersieht aber, dass der Herausgabeanspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht zum Nach- lass gehört. Wenn mehrere Vertragserben bzw. bindend eingesetzte Schluss- erben vorhanden sind, steht dieser Anspruch nicht den Erben gemeinschaftlich zu, sondern jedem von ihnen persönlich, und zwar zu einem seiner Erbquote entsprechenden Bruchteil. Abweichend davon hat das Berufungsgericht — wie die Revision zu Recht rügt — angenommen, der Anspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB falle in den Nachlass. Für den Fall, dass die von der Beklagten behaupteten Schenkungen unwirksam sein sollten, hat es ihre Verurteilung zur Zahlung an die Erbengemeinschaft auf einen Anspruch aus dieser Vorschrift aufgrund der Klage nur einer Miterbin — der Klägerin — gestützt. Mit dieser Begründung kann die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung der noch streitgegenständlichen Beträge keinen Bestand haben, urteilten die Karlsruher Richter.

 

Kein hilfsweiser Anspruch aus Bereicherungsrecht

Die Entscheidung erweist sich nicht im Sinne von § 561 ZPO aus anderen Gründen deshalb als richtig, weil das Berufungsgericht ausgeführt hat, soweit die Schenkungen unwirksam gewesen sein sollten, folge der Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB. Es fehlt schon an Feststellungen dazu, ob die in Rede stehenden Überweisungen ohne Rechtsgrund erfolgten. Diese Feststellungen wird das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung nachzuholen haben. Wenn es wirksame Schenkungen annimmt, wird es ausgehend davon gegebenenfalls die weiteren Voraussetzungen des § 2287 Abs. 1 BGB erneut zu prüfen haben, so der BGH.

 

In unserer auf das Erbrecht spezialisierten Kanzlei stehen Ihnen unsere Anwälte rund um das Thema Erbauseinandersetzung zur Seite.