BGH: Neue Entscheidung im Erb- und Pflichtteilsrecht- Anwachsung Gesellschaftsanteil unter Ausschluss eines Abfindungsanspruchs kann eine Schenkung darstellen
„Die bei einer zweigliedrigen, vermögensverwaltenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) für den Fall des Todes eines Gesellschafters vereinbarte Anwachsung seines Gesellschaftsanteils beim überlebenden Gesellschafter unter Ausschluss eines Abfindungsanspruchs kann eine Schenkung i.S.v. § 2325 BGB sein“(BGH, Urteil vom 03.06.2020- IV ZR 16/19).
Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist erstaunlich und bei einem Erbfall sowohl für den überlebenden Gesellschafter als auch den Pflichtteilsberechtigten relevant.
Gemäß § 2325 Abs. 1 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte , wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat, als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.
Diese Vorschrift soll verhindern, dass der Erblasser sein Vermögen durch Schenkungen zu Lebzeiten mindert und dadurch die durch das Pflichtteilsrecht garantierte Mindestbeteiligung naher Angehöriger vereitelt.
Nach § 2314 BGB hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses.
BGH stärkt Rechte des Pflichtteilsberechtigten
Die neue Entscheidung des BGH stärkt die Rechte von Pflichtteilsberechtigten, die bisher hinter den gesellschaftsrechtlichen Regelungen zurückstehen mussten. So geht die herrschende Meinung bisher davon aus, dass eine gesellschaftsrechtliche Regelung, nach der eine Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters unter den verbleibenden Mitgesellschaftern fortgesetzt wird und gleichzeitig Abfindungsansprüche ausgeschlossen würden, grundsätzlich keine ergänzungsbedürftige Schenkung i.S.d. § 2325 BGB darstellt. Anders ist dies nach Ansicht des BGH allerdings, wenn der Zweck der jeweiligen Regelung nicht dem Fortbestand des Unternehmens bzw. der Gesellschaft dienen soll.
Hintergrund
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall verlangte der Kläger von der Beklagten die Ermittlung des Wertes zweier Eigentumswohnungen. Er ist der Sohn aus erster Ehe des 1946 geborenen und im Januar 2017 verstorbenen Erblassers, der seit 1991 in zweiter Ehe mit der Beklagten verheiratet war.
Der Erblasser und die Beklagte schlossen sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammen und erwarben als solche im Jahr 2008 eine Eigentumswohnung, die sie an ihren gemeinsamen Sohn zur ortsüblichen Miete vermieteten. Im Jahr 2011 schlossen sich die beiden erneut zu einer GbR zusammen, für den Zweck eine zweite Wohnung zu kaufen. In dem Gesellschaftsvertrag wurde vereinbart, dass die Gesellschaft mit dem Tode eines Gesellschafters aufgelöst wird. Der Anteil des verstorbenen Gesellschafters sollte dem Überlebenden anwachsen und die Erben sollten keine Abfindung erhalten.
Der zu zahlende Gesamtkaufpreis für die Wohnung von über 3 Millionen Euro wurde fast ausschließlich aus dem Verkaufserlös für ein Grundstück, dessen Eigentümer der Erblasser und die Beklagte waren, erbracht. Im Jahr 2004 schlossen der Erblasser und die Beklagte eine Gesellschaftsrechtliche Vereinbarung für mehrere aus den beiden bestehenden GbRs, die jeweils Eigentümer der beiden Wohnungen waren.
Mit notariellem Testament aus dem Jahr 2016 setzte der Erblasser die Beklagte als Alleinerbin und den gemeinsamen Sohn als Ersatzerben ein.
Der Kläger forderte von der Beklagten die Ermittlung des Wertes der beiden Wohnungen durch Sachverständigengutachten jeweils bezogen auf den Todestag des Erblassers und auf das Datum der Eintragung der Gesellschaften als Eigentümer um hieraus seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch beziffern zu können.
Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht (OLG) allerdings verurteilte die Beklagte dazu, den Wert der beiden Wohnungen ermitteln zu lassen. Die Beklagte begehrte nun im Wege der Revision vor dem BGH die Klageabweisung.
BGH: Kläger hat Wertermittlungsanspruch nach § 2314 BGB
Der BGH entschied im Sinne des Klägers und folgte damit der Rechtsauffassung des OLG. Demnach stehe dem Kläger ein Wertermittlungsanspruch nach § 2314 BGB hinsichtlich der beiden Wohnungen bezogen auf den Todestag des Erblassers zu, weil er einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Bezug auf die zwischen der Beklagten und dem Erblasser für den Todesfall vereinbarten Übertragung von Anteilen der GbR, die Eigentümer der Wohnungen waren, habe. In der auf den Todesfall bezogenen Verfügung des Erblassers über seinen Anteilswert an den Gesellschaften liege eine Zuwendung zugunsten der Beklagten vor. Es liege auch eine Einigung über die Unentgeltlichkeit dieser Zuwendung (Schenkung) vor.
Weiter stellte der BGH klar, dass die gesellschaftlichen Regelungen hier zurückstehen, da bei diesen Vereinbarungen nicht die Fortführung des Unternehmens oder zumindest einer Gesellschaft stand, da letztere ja mit dem Tod eines Gesellschafters aufgelöst werden sollte.
Der Kläger hat gegen die beklagte Erbin gemäß § 2314 BGB einen Anspruch auf Wertermittlung hinsichtlich der Gesellschaftsanteile des Erblassers, der sich auf den Wert der beiden Wohnungen als jeweils einzigem Vermögensgegenstand der Gesellschaften richtet.
Die vereinbarte Anwachsung der Gesellschaftsanteile des Erblassers unter Ausschluss eines Abfindungsanspruchs im Fall seines Vorversterbens stellt eine Schenkung an die Beklagte i.S.d.§ 2325 Abs. 1 BGB dar. Die Beklagte wurde durch die abfindungsfreie Anwachsung bereichert.
Grundsatz: Keine Schenkung, wenn Fortbestand der Gesellschaft im Vordergrund steht
Der Erblasser kann neben den erbrechtlichen Möglichkeiten auch gesellschaftsrechtliche Regelungen treffen wie er sein Vermögen im Todesfall weitergeben möchte. Insbesondere im Recht der Personengesellschaften besteht die Möglichkeit der Zuwendung von Rechtspositionen auf den Todesfall kraft gesellschaftsvertraglicher Regelungen.
Der allseitige Abfindungsausschluss für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters wird dabei grundsätzlich nicht als Schenkung gewertet. Dies hat den Hintergrund, da diese Regelungen bezwecken sollen, dass die Gesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters erhalten bleibt und nicht durch Abfindungsansprüche erschwert wird.
Ausnahme: Gesellschaft soll nach Ausscheiden aufgelöst werden
Hier lag der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung nicht der Zweck der Sicherung des Fortbestandes der Gesellschaft zugrunde. Die Fortführung des Unternehmens stand nicht im Vordergrund.
Es ist also stets im Einzelfall zu prüfen, welchen Zweck die jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen genau bezwecken. Mit diesem Urteil können sich die Erben aber nicht mehr so leicht hinter gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen „verstecken“.
Welche Rechte hat der Pflichtteilsberechtigte in Bezug auf die Auskunft nach § 2314 BGB? Wie und inwieweit muss der Erbe Auskunft erteilen?
Lesen Sie hierzu auch unseren Blog zur Auskunftspflicht der Erben- Was Pflichtteilsberechtigte und Erben über die Auskunftsansprüche des Pflichtteilsberechtigten wissen müssen.
Gerne beraten wir Sie welche erb- und gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten Sie in Bezug auf die Weitergabe von Vermögensgegenständen im Todesfall haben und wie Sie diese optimal umsetzen. Auch könne Sie bei Fragen rund um die Auskunftserteilung nach § 2314 BGB und der Erstellung von Nachlassverzeichnissen auf unsere langjährige Erfahrung zurückgreifen. Als Pflichtteilsberechtigter helfen wir Ihnen bei der Geltendmachung und Durchsetzung Ihrer Auskunfts- und Pflichtteilsansprüche.