BGH: Entscheidung im Erbrecht zur Testamentsgestaltung -Ausgleichungspflicht bei besonderen Leistungen eines Abkömmlings

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall streiten die Parteien um die Kürzung von Pflichtteilsansprüchen gemäß § 2318 BGB und Ausgleichsansprüche nach § 2057 a BGB (BGH, Beschluss vom 24.03.2021 – IV ZR 269/20).

Gesetzliche Regelung

Nach § 2057 a BGB kann ein Abkömmling, der durch Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers während längerer Zeit, durch erhebliche Geldleistungen oder in anderer Weise in besonderem Maße dazu beigetragen hat, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde, bei der Auseinandersetzung eine Ausgleichung unter den Abkömmlingen verlangen, die mit ihm als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen. Dies gilt auch für einen Abkömmling, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat.

Gemäß § 2318 Abs. 1 BGB kann der Erbe die Erfüllung eines ihm auferlegten Vermächtnisses soweit verweigern, dass die Pflichtteilslast von ihm und dem Vermächtnisnehmer verhältnismäßig getragen wird.

 

Hintergrund

Die Parteien sind zwei der drei Kinder der im Februar 2017 verwitwet verstorbenen Erblasserin. Diese hatte in ihrem notariellen Testament vom 31. August 2015 unter § 2 den Beklagten als Alleinerben eingesetzt. Weiter heißt es dort: „Zur Begründung weise ich darauf hin, dass mein Sohn seit dem Jahr 2007 meine Pflege und Betreuung übernommen hat. Hierzu führe ich im Einzelnen aus: Ich bin seit spätestens Oktober 2007 pflegebedürftig und bedarf der häuslichen Pflege. Diese Pflege wird ausschließlich allein von meinem Sohn (Beklagter) durchgeführt, (…) Er verwaltet darüber hinaus auch das Mehrfamilienhaus und kümmert sich allein um die Grabpflege des Grabes meines verstorbenen Ehemannes. Aus den vorgenannten Gründen sollen die beiden anderen Kinder lediglich ihren Pflichtteil erhalten, wobei ich darauf hinweise, dass mein Sohn (Kläger) zur Anrechnung auf den Pflichtteil bereits € 10.000 am 18.11.2010 erhalten hat (…)“.

 

Der Nettonachlass belief sich auf einen Betrag in Höhe von € 337.249,29. Auf die vom Kläger geltend gemachte Pflichtteilsforderung zahlte der Beklagte einen Betrag in Höhe von € 14.541,55 und lehnte eine weitere Zahlung unter Hinweis auf einen ihm zustehenden Ausgleichsanspruch aus § 2057a BGB ab. Er hatte Pflegeleistungen für die Erblasserin erbracht. Mit seiner Klage hat der Kläger eine Pflichtteilszahlung in Höhe von weiteren € 41.666,66 verlangt.

 

Das LG Siegen hat dem Kläger unter Abweisung der Klage im Übrigen € 31.666,66 nebst Zinsen zugesprochen. Das OLG Hamm hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

 

OLG Hamm: Keine Ausgleichungspflicht gemäß §§ 2316, 2057 a BGB

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, auf den Pflichtteilsanspruch des Klägers, der ein Sechstel des Nachlasses, mithin einen Betrag in Höhe von € 56.208,21, betrage, habe der Beklagte bereits einen Teilbetrag in Höhe von € 14.541,55 geleistet und das Landgericht aufgrund der Anrechnungsbestimmung im notariellen Testament einen Betrag in Höhe von € 10.000,00 in Abzug gebracht, so dass ein Zahlungsanspruch in Höhe von € 31.666,66 zugunsten des Klägers verbleibe.

 

Zu Recht habe das Landgericht eine Ausgleichungspflicht gemäß §§ 2316, 2057a BGB abgelehnt. Die auch im Falle der Alleinerbschaft grundsätzlich bestehende Ausgleichungspflicht wegen der erbrachten (Pflege-)Leistungen sei von der Erblasserin in ihrem notariellen Testament abbedungen worden. Eine von § 2057a BGB abweichende Testierung sei grundsätzlich möglich und hier auch erfolgt. Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis dafür erbracht, dass die Erblasserin entgegen der Vermutung des § 2057a BGB die Ausgleichungspflicht in ihrem Testament ausgeschlossen habe. Aus dem notariellen Testament lasse sich der Wille der Erblasserin entnehmen, dass die Ausgleichung vom Beklagten erbrachter Pflegeleistungen nicht gewollt gewesen sei, auch wenn sie dies in ihrem Testament nicht ausdrücklich angeordnet habe. Für diesen Willen der Erblasserin spreche vor allem die Begründung der Einsetzung des Beklagten als ihren Alleinerben. Als Grund dafür führe sie dessen Pflegeleistungen und seine Hilfe bei der Verwaltung des zum Nachlass gehörenden Mehrfamilienhauses an. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Notars könne nicht festgestellt werden, dass die Erblasserin bei Errichtung des Testaments einen anderen Willen gehabt habe. Ein Kürzungsrecht gemäß § 2318 Abs. 1 BGB stehe dem Beklagten nicht zu. Zwar stelle die Erklärung eines Erblassers, durch die die Ausgleichspflicht abbedungen werde, in der Regel ein Vermächtnis dar. Bei einem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer sei allerdings gemäß § 2318 Abs. 2 BGB zu beachten, dass diesem der Pflichtteil zu verbleiben habe.

Der BGH hat die dagegen gerichtete Revision nicht zugelassen und sich den Gründen des Berufungsgerichts angeschlossen.

Die Entscheidung zeigt, welche Bedeutung Formulierungen des Erblassers in letztwilligen Verfügungen haben. Der Erblasserwille mit Testament wird nicht selten ausgelegt und gedeutet. Es ist daher wichtig, sich bei der Formulierung seiner letztwilligen Verfügung beraten zu lassen, um zu vermeiden, dass der letzte Wille nicht so umgesetzt wird, wie gewollt. Unsere spezialisierten Anwälte im Erbrecht stehen Ihnen hierbei gerne zur Verfügung.